«Wir planen unser Zentrum selbst»
Wie das Gemeinschaftszentrum im Jungbusch entstand – ein Lehrstück für offene Planung

«Wir planen unser Zentrum selbst»

Das Gemeinschaftszentrum im Jungbusch ist jetzt in der Tat ein Vierteljahrhundert alt. In der Rekordzeit von nur drei Jahren Planungsvorlauf hat es am 17. Januar 1986 seine Pforten geöffnet. Aufbauen konnten wir mit unserer Planung für mehr Lebensqualität im Jungbusch auf dem städtebaulichen Rahmenplan der Architektengruppe KPS. Ohne soziale und bauliche Erneuerungsmaßnahmen, so ihr Credo, gibt es keine Aufwärtsentwicklung für die „Rumpelkammer für Randgruppen“. Für mich als Stadtsoziologen und damals verantwortlichen Planer für die Quartiersplanung ist die Sozialplanung Jungbusch mit ihrem 25-Punkte-Handlungskatalog in der Rückschau ein Lehrstück für einen offenen und experimentellen Planungsprozess.

Die Jungbuschler haben sich ins Zeug gelegt

Die Öffnung der Verwaltung in die Lebenswelt mit Stadtteilorientierung, Beteiligung und Engagementförderung war damals längst nicht auf der Tagesordnung. Stark und nicht unbegründet war der Verdacht in der Zentrale, dass ein offener Planungsprozess vor Ort eingefahrene Verwaltungsgleise mit einer top down-Perspektive auf den Prüfstand stelle, die BewohnerInnen überfordere und im Ergebnis einen nicht erfüllbaren Wunschkatalog von Bürgerseite liefere.
Es kam anders. Die Jungbuschler haben sich ins Zeug gelegt für ihr Quartier und ihr Zentrum. Da gab es starke Figuren, deren Namen mir mit Respekt in Erinnerung bleiben: Margot Röth, Felix Heck, Wolfgang Kasper, Elke Eilenburg, Norbert Herrmann, Wolfgang Barz – nicht zu vergessen die umtriebigen Quartierspfarrer, ErzieherInnen , LehrerInnen, SozialarbeiterInnen, die Stadt-, Verkehrs- und GrünflächenplanerInnen aus dem Baudezernat, der Ausländerbeauftragte und eine Serie von engagierten StadteilpolitikerInnen.
Das soziale Zusammenleben war angespannt, fremde Lebenswelten in Konkurrenz, Angst vor „Überfremdung“ und Ausländerfeindlichkeit latent und interkulturelles Zusammenleben noch eine Vision .

Wir planen unser Zentrum selbst

Die Verwaltung hat damals einen beachtlichen Lernprozess vor Ort gemacht. Entscheidend war hinzugehen, vor Ort präsent zu sein, sich Zeit zu nehmen, zuzuhören, eine gemeinsame Sprache mit den BewohnerInnen zu finden und Entscheidungswege kurz zu machen.
Das Gemeinschaftszentrum Jungbusch selbst ist Ergebnis dieses offenen und dynamischen Beteiligungsprozesses. „Wir planen unser Zentrum selbst“ war selbstbewusster Anspruch von Bewohnerseite. Da wurde zunächst hart über mehrere in Frage kommende Standorte gestritten, dann mit Planskizzen und Leerplänen in intensiven Verhandlungen mit den BewohnerInnen und dem Trägerverein ein Nutzungskonzept für das Gemeinschaftszentrum ausgehandelt. Für den Ausbau und Betrieb hat der Gemeinderat souverän kurzfristig und außerplanmäßig Mittel bereit gestellt. Und mit Peter Hübinger und Michael Scheuermann hat das Gemeinschaftszentrum zwei starke Leiter gefunden, die das Zentrum zu einem lebendigen Mittelpunkt des Quartiers gemacht haben und mit ihrem zweiten Standbein eine aktivierende Stadtteilarbeit betrieben haben. Die Stadt hat in diesem Stadtviertel gepowert und empowered wie in keinem zweiten.

Offene Planung setzt Kreativität frei

Für mich ist die Jungbusch-Entwicklung der letzten dreißig Jahre der vitale Beweis, dass Menschen aus Milieus, denen man ein solches Engagement für ihr Stadtviertel nicht zutraut, sehr wohl dazu in der Lage sind, wenn man ihnen die Tür zur Bürgergesellschaft auch wirklich aufmacht. Offene Planung, die die Richtung, aber nicht das Ergebnis vorgibt, setzt Kreativität frei. Damit sind zwar die sozialen Probleme nicht vom Tisch, aber die exemplarische Phantasie zu ihrer Lösung ist da.
Und wenn ich heute als Rentier durch den Jungbusch flaniere, tagsüber mit Stop in einem Straßen-Café oder beim nächsten Nachtwandel, und sehe, was sich da alles sozial, kulturell und baulich entwickelt hat, denke ich mit einem versonnen Lächeln „Gut geplant“, auch wenn die Spuren der Sozialplanung nur noch die Alten kennen. Weitergeben will ich noch eine Weisheit aus dem Jungbusch: Das Beste am Plan ist seine Umsetzung.

Walter Werner

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