Koordinierungskreis diskutiert Erfolge und künftige Herausforderungen von Kulturarbeit
Kreative Netz-Werke mit innovativer Ausdruckskraft

Von unserem Redaktionsmitglied Anke Philipp

Jungbusch-Kultur: der Ort ist Marke, die Marke wiederum Programm. Dabei sein kann jeder, und in der Begegnung wächst die Spannung, welche Kreativität ermöglicht. Seit die Beteiligungskultur im Hafen-Kiez zum guten Ton gehört, präsentiert sich der Stadtteil stets überraschend anders, meist interkulturell, abseits des Mainstream. Damit dies so bleibt, haben die Bewohner jetzt im Koordinierungskreis des Quartiermanagements Bilanz gezogen und dabei den Anspruch untermauert, sich „weiter aufeinander zu beziehen“.
Beispiele aus dem Geflecht
Beispiele für das in den vergangenen Jahren gewachsene (Beziehungs)-Geflecht gibt es viele. Einige der Akteure stellten sich und ihr Netz-Werk bei der Sitzung vor. So etwa die Künstlergruppe Laboratorio 17, der Musikpark, die Ganztagesgrundschule, die Creative Factory des Gemeinschaftszentrums. Da machen beispielsweise die „buschgirls“ mit dem Existenzgründerzentrum gemeinsame Sache, Mitglieder des Bewohnervereins lesen Grundschülern Geschichten in verschiedenen Sprachen vor, Künstler gestalten gemeinsam mit Anwohnern den öffentlichen Raum. Aus derartigem „Brückenschlägen“ wächst ein Gemeinschaftsgefühl, das wiederum neue Verbindungen ermöglicht: Eine eigene Stadtteilkultur, die in der Vergangenheit allerdings ganz wesentlich durch Finanzspritzen von außen getragen wurde. Gemeint sind Fördergelder aus Bund-Länder-Programmen, der „Sozialen Stadt“ und dem „Lokalen Kapital für soziale Zwecke“ sei Dank. Oder der Europäischen Union, die auf URBAN baute. An die Adresse der Politik ging die Forderung nach einem langen Atem, Kontinuität sei wichtig: „Projekte, die auf kurze Zeit angelegt sind, bewegen nichts“, plädierte Theaterpädagogin Lisa Massetti für „Prozessarbeit“, die Mitwirkung für viele garantiere. Wie bei der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung müsse es beim Ausbau der Kulturarbeit darum gehen, offene Räume zu schaffen, in denen Menschen sich wohl fühlen könnten, ihren Platz fänden, um sich auszudrücken, „man sich etwas erzählen kann“. „Erst am Ende kommt dann die Bühne“, so Massetti. Im Gegensatz dazu sei das Konzept der „Hochkultur für wenige“ längst überholt und langweilig: „Die supergeile Aufführung reicht einfach nicht aus“, so die Künstlerin, die mit ihren Aussagen breite Zustimmung erfuhr.
„Auf Sozialverträglichkeit achten“ müsse weiter Programm bleiben, Kulturschaffende dürften im Viertel nicht die Familien verdrängen, ergänzte Anne Kress vom Bewohnerverein. Weiter wie bisher will man also gezielt aufeinander zugehen: „Der Jungbusch hat noch Reserven“, so Quartiermanager Michael Scheuermann.
Neue Möglichkeiten eröffnet die Turnhalle, die im Oktober eingeweiht wird. Die Gestaltung der Dalbergstraße steht ebenso auf der Agenda, wie ein Bespielungskonzept für die „nackte und trostlose Promenade“. Bedauert wurde, dass die Jungbusch-Arena geschlossen ist und der Spielplatz am Verbindungskanal weiter auf sich warten lässt.
Mannheimer Morgen
4. Juli 2008

Kommentar
Vom Jungbusch lernen
Anke Philipp über die Kulturarbeit im Jungbusch

Die Zeiten sind vorbei, als der Jungbusch als Stiefkind Mannheims galt. Längst genießt der Stadtteil erhöhte Aufmerksamkeit, ist man im Rathaus zu Recht stolz auf Errungenschaften, wie etwa die Musikkultur, die am Verbindungskanal den Ton angibt. Der Jungbusch bietet indes mehr: Mit seiner reichhaltigen Kulturlandschaft und vielen spannenden Ideen ist das Viertel dabei, selbst Marke zu werden. Ein Verdienst all jener, die sich seit Jahren um eine konsequente Entwicklung von innen heraus bemühen. Der Weg des Erfolgs könnte der Stadt gar als Vorbild dienen. Denn Mannheim hat weiter ein Imageproblem. Wie man es los wird, durch Netzwerkarbeit eine gemeinsame Aktions-Plattform schafft, von der am Ende alle profitieren: Das könnte die Stadt vom Jungbusch lernen. Im ehemaligen Hafenviertel wird deutlich, was geht, wenn nicht jeder sein Separat-Süppchen kocht, sondern sich stattdessen ins Gesamtgeschehen einbindet. Da wird Stadtentwicklung kreativ, Entwicklung nachhaltig ermöglicht. Voraussetzung ist, die Beteiligung der Menschen. Die müssen sich wohl fühlen in ihrem Umfeld, sich öffnen und sich über alle Unterschiede hinweg trauen. Kein einfacher Prozess, der Zuwendung erfordert und nicht das Ausnutzen im eigenen, kurzfristigen Interesse.

Mannheimer Morgen
4. Juli 2008

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