Der Busch spielt!
Zusammensein bei Musik und Abendessen nach Sonnenuntergang

Busch spielt

Wer in Zeiten von brennenden Flüchtlingsheimen, Brexit und einem Stakkato an Terroranschlägen an der Menschheit zweifelt, der konnte sich am 23. Juni im Jungbusch davon überzeugen, dass es noch Gutes auf der Welt gibt. In der warmen Abendsonne saßen Menschen aus den verschiedensten Kulturen an Bierbänken im Schatten von großen Pappelbäumen zusammen, lauschten Musik und quasselten, als wenn es das normalste auf der Welt sei.

Zum dritten Mal traten an diesem Abend verschiedene Musiker aus dem Jungbusch auf einer kleinen Bühne am Rande des Spielplatzes in der Beilstraße auf. Gemeinsam haben die Popakademie, das Laboratorio17, die Creative Factory und die Orientalische Musikschule das Programm auf die Beine gestellt. Der Hauptakt des Abends waren Fatih Akpinar und seine Band, die mit einer schwungvollen Mischung aus Rock-Pop und orientalischer Musik überzeugten. Anschließend luden die Yavuz Sultan Selim und die Fatih Moschee zusammen mit der Hafenkirche, der City-Kirche St. Sebastian, dem Gemeinschaftszentrum Jungbusch, dem Internationalen Frauentreff und dem Internationalen Mädchentreff zum gemeinsamen Fastenbrechen ein.

„Wir möchten zeigen, was alles aus dem Jungbusch kommt“, erklärt Danijela Albrecht, Referentin für Vermittlung an der Popakademie.  So wie z.B. die Rapper von der Creative Factory. Einer von ihnen zeigt nach seinem Auftritt zwei Frauen in Leinenblusen und Sommerhüten verständnisvoll sein Handy. Da hat er seine Texte aufgeschrieben. „Aber das kann man ja gar nicht verstehen!“, sagt die eine Frau lachend. „Das muss ja auch nur ich verstehen!“, entgegnet er und huscht davon. Die Frauen kichern. Sie sind nicht aus dem Jungbusch, sondern haben den Flyer zur Veranstaltung bei der Orientalischen Musikschule gesehen. Aber auch Dilara, eine junge Sängerin, und der Tänzer Funky Lion bleiben an diesem Abend in Erinnerung.

„Wir essen von denen und die von uns“

Auf der anderen Seite des Publikums sind Gisela und Edith erstaunt über meine Frage, weshalb sie hier sind: „Das ist doch unser Stadtteil!“, erwidern sie. Wenn das jemand behaupten kann, dann diese beiden. Die 80-jährigen wohnen schon seit 40 Jahren im Jungbusch. An die Musik müssen sie sich trotzdem noch etwas gewöhnen. Aber interessant sei es, versichert Edith während das Piercing in ihrem Ohr glitzert. Denn erst wenn man sich gegenseitig verstehe, könne man sich auch begegnen, meint sie. Und dazu gehört, dass man zuhört. Die beiden sind Mitglieder der Hafenkirche und halfen dabei, für das Abendessen 30 Kilo Karottensalat vorzubereiten. „Wir essen von denen und die von uns.“

Kurz vor 21.43 Uhr werden Getränke und Datteln auf den Tischen verteilt. Sophie mahnt ihre kleine Nichte, mit dem Trinken zu warten, bis alle trinken dürfen. Sie kam 1990 aus Mazedonien nach Deutschland, wo ihr Vater Gastarbeiter war. In Deutschland hat sie sich ein Leben aufgebaut, Schicksalsschläge erlitten und weitergekämpft. „Hayat devam ediyor“, sagt sie, sagen die Türken – das Leben geht weiter. Sie ist begeistert von der tollen Organisation des Abends. Auch ihre Mutter schaut aufmerksam zu. Endlich ertönt der Iftar-Ruf und freudig gehen alle zu den beiden Essensausgaben, um von Hühnchen, Reis und Giselas und Ediths Karottensalat sowie der Suppe zu bekommen. Auch der Kuchen sei „mega lecker“ schwärmt eine Studentin. Im ehemaligen sozialen Brennpunkt Jungbusch ist die Welt eben noch in Ordnung.

KM


[MS1]Vielleicht könnte man auch schreiben: Interessanterweise ist an diesem Abend ausgerechnet im ehemaligen sozialen Brennpunkt Jungbusch die Welt in Ordnung.

Share

Kommentare sind geschlossen.