Harte Fakten und klare Handlungsbedarfe
Sozialatlas Mannheim beschreibt den Jungbusch als besondere Welt

Grafiken

Mannheim ist nicht überall gleich. Mannheim ist ein komplexes soziales Gefüge.
Der vom Fachbereich Arbeit und Soziales herausgegebene Sozialatlas teilt die Stadt in 44 Planungsräume ein und zeigt die Merkmale der in diesen lebenden Menschen für das Jahr 2014 auf. Der Jungbusch mit der Nummer „010a“ gehört zusammen mit der westlichen Unterstadt (E-K-Quadrate) sowie der Neckarstadt West zu den „urbanen Planungsräumen mit stark überdurchschnittlichen sozialen Problemlagen“ – Typ 4.

Die Fakten

Von den 6.324 Jungbuschbewohnerinnen und -bewohnern haben 69 % einen Migrationshintergrund, siehe Grafik A. Unter 18-Jährige (13 %), über 65-Jähige (8 %) und Alleinerziehende (2 %) sind im Mannheimer Vergleich eher unterrepräsentiert (s. Grafik B zum Alter).
69 % der Bewohnerinnen und Bewohner des Jungbuschs leben in einem Einpersonenhaushalt.

Jungbusch als Durchgangsquartier

Besonders hervorstehend ist im Jungbusch das hohe Wanderungsvolumen. 2014 zogen 3.672 Menschen zu oder fort. Darunter waren 884 Zuzüge von Menschen nichtdeutscher Nationalität und 712 Fortzüge in andere Stadtteile Mannheims.
Damit wechselte allein im Jahr 2014 mehr als ein Viertel der Bevölkerung (s. Grafik C).
Der Jungbusch wird also von vielen Menschen wie Studierenden oder Arbeitsmigrantinnen und -migranten als Ankunftsort oder Durchgangsstation genutzt, die nach wenigen Jahren wieder verlassen wird.

Grafik A und Grafik B

Ausgeprägte soziale Problemlagen

Der Sozialatlas bestätigt, dass der Jungbusch ein Raum mit stark überdurchschnittlichen sozialen Problemlagen ist. Der Anteil an Menschen, die von Transferleistungen wie Arbeitslosengeld II („Hartz IV“), Grundsicherung bei Erwerbsminderung, Nicht-Erwerbsfähigkeit oder im Alter leben, ist im Mannheimer Vergleich stark erhöht. Auch die Kinderarmut ist stark ausgeprägt. 330 und damit ca. die Hälfte der Kinder unter 15 Jahren lebten 2014 von Grundsicherung (s. Grafik D) – ein trauriger Spitzenplatz in Mannheim. Insgesamt sind fast 21 % der Bewohnerinnen und Bewohner auf soziale Leistungen angewiesen (s. Grafik E).
Darin nicht eingerechnet sind BAföG-Beziehende, denn die finanzielle Unterstützung des Staates für Studierende zählt nicht zu den Mindestsicherungsleistungen.

Wenig Beschäftigte, viele Arbeitslose

1.697 Personen gingen 2014 einer Beschäftigung nach. Die Beschäftigungsquote, das heißt der Anteil der sozialversicherungspflichten Beschäftigten, war mit 33% für Mannheimer Verhältnisse besonders gering (s. Grafik F).
Gleichzeitig lag die Arbeitslosenquote über dem Mannheimer Durchschnitt. 357 Menschen waren arbeitslos gemeldet, darunter 145 langzeitarbeitslos.

Grafik C und Grafik D

Fazit

Der Mannheimer Morgen kommentiert am 03.12.2015 die Ergebnisse aus dem Sozialatlas mit: „Die Ungleichheit innerhalb der Stadt ist immens. Viele Quartiere scheinen sozial eher zu unterschiedlichen Welten zu zählen als zur gleichen Stadt.“ Der Sozialatlas bestätigt, was in den Diskussionen im und um den Jungbusch seit langem bekannt ist: Der Jungbusch gilt als Ankunftsort für junge Menschen sowie Arbeitsmigrantinnen und -migranten aus dem Ausland. Das Quartier ist immer wieder aufs Neue mit hohen Integrationsanforderungen konfrontiert. Die hohe Fluktuation in der Bewohnerschaft erschwert die Bildung dauerhafter Nachbarschaftsstrukturen und kontinuierliches (sozial-)pädagogisches Arbeiten, zum Beispiel mit Jugendarbeit und sonstigen Hilfsangeboten in Schulen oder Vereinen.
Im Straßenbild wird es tagtäglich sichtbar, dass sich überproportional viele Menschen im Jungbusch in schwierigen sozialen und finanziellen Verhältnissen befinden, wird im Straßenbild tagtäglich sichtbar. Dies ist auch dadurch erklärbar, dass offenbar viele Bewohnerinnen und Bewohner nicht gegen soziale Problemlagen geschützt sind. Denn nur jeder Dritte zahlt in die Sozialversicherung ein. Die geringe Zahl sozialversicherungspflichtiger Beschäftigter kann auch darauf hindeuten, dass im Jungbusch überdurchschnittlich viele Bewohnerinnen und Bewohner studieren oder selbständig tätig sind, zum Beispiel im künstlerisch-kreativen Bereich.

Grafiken E

Handlungsbedarfe

Der Sozialatlas verfolgt das Ziel, aus den Besonderheiten der Planungsräume spezifische Handlungsbedarfe ableiten zu können. Für den Jungbusch bedeutet dies, dass viele Menschen von den günstigen Entwicklungen in Mannheim nicht profitieren. Im Sinne sozialer Gerechtigkeit und des sozialen Friedens ist es notwendig, dass in den Jungbusch überproportional investiert wird. Notwendig sind vor allem Angebote der Bildungs- und Sozialarbeit und der Stadtentwicklung, die auf in Mannheim neu eingetroffene Erwachsene (Studierende, Arbeitsmigrantinnen/-migranten, Selbständige) und in Armut lebende Kinder abgestimmt sind. Die Menschen bringen in der Regel Migrationserfahrung mit, befinden sich in schwierigen sozialen Situationen oder nicht abgesicherten Beschäftigungsverhältnissen. Ihre Chancen auf Teilhabe in der Gesellschaft (Bildung, Gesundheit, Politik usw.) und am Arbeitsmarkt sind reduziert. Sie werden nach erfolgreicher oder gescheiterter Integration den Jungbusch wieder verlassen, was die Identifikation und Wertschätzung mit dem Quartier erschwert.
Akteurinnen und Akteure leisten wichtige, aber in gewissem Sinne auch Sisyphosarbeit, die von den Adressatinnen und Adressaten kaum mit Anerkennung versehen wird und deren Nachhaltigkeit schwer zu belegen ist, da die Menschen ständig wechseln und die Integrationsarbeit immer wieder von Neuem beginnt.
Nutznießer dieser Arbeit werden Stadtteile sein, in welche die Menschen und ihre Familien umziehen.
Die erhöhten Investitionen für bessere Integration und Teilhabe in das verhältnismäßig kleine Quartier zahlen sich also aus, denn der Jungbusch wirkt wie als „Integrationsmaschine“ in die ganze Stadt hinein.
►BF und MS

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