Sorge um den Zusammenhalt, um das friedliche Zusammenleben und um soziale Gerechtigkeit waren für uns immer die Leitlinien im Jungbusch. Mit diesen Zielen vor Augen setzten wir uns im Stadtteil für die Ganztagesschule ein, erkämpften eine Turnhalle, bauten den Sportverein DJK Jungbusch auf, verstärkten Angebote für Kinder und Jugendliche, organisierten Hilfen für die Zuwanderer aus Südosteuropa, gründeten einen Internationalen Frauentreff, das Laboratorio17, die Creative Factory und vieles mehr.
Der soziale Friede im Stadtteil ist ein kostbares Gut. Diesen zu erhalten und auszuweiten galt und gilt unser besonderer Einsatz.
Dieser soziale Friede ist derzeit auf eine ernsthafte Probe gestellt. Der Jungbusch ist attraktiver geworden und zieht immer mehr Menschen an, die hier wohnen, arbeiten und feiern wollen. Kreativ- und Musikwirtschaft sorgten für Impulse und sind gleichermaßen angewiesen auf die kulturelle Vielfalt des Quartiers. Die damit einhergehende Aufwertung befreite das Quartier aus der Isolation. Das Szeneviertel Jungbusch zieht nun Menschen an und Investoren. Umso wichtiger ist es jetzt, darauf zu achten, dass das Gleichgewicht im Stadtteil erhalten bleibt und die Schwächeren in der Gesellschaft nicht unter die Räder kommen.
Immer mehr Häuser wechseln derzeit den Eigentümer. Wohnungen werden renoviert, was nach vielen Jahren des Stillstandes auch notwendig war. Mieten steigen, und insbesondere Familien wandern aus dem Stadtteil ab; entweder weil ihnen der Stadtteil zu wild und zu laut geworden ist oder weil sie sich eine Wohnung im Jungbusch nicht mehr leisten können. Es ist viel Geld im Umlauf, das sich vermehren will. Wenn man die Entwicklung auf dem Immobilienmarkt aber alleine dem Finanzmarkt überlässt, droht eine soziale Schieflage. Diejenigen, die viel Geld haben, werden sich den Jungbusch leisten können, alle anderen werden es schwer haben. Es gilt deshalb die Kräfte des Marktes zu zügeln, für Ausgewogenheit zu sorgen und aus Solidarität und Klugheit diejenigen zu unterstützen, für die der Verlust ihrer Wohnung eine große soziale Härte bedeutet.
Wir müssen uns alle – Bewohnerschaft, Politik und Verwaltung – fragen: „Welchen Jungbusch wollen wir und was ist gut für unseren Kiez?“ Einen, der einseitig und eintönig wird – oder ein Quartier der Vielfalt? Und dazu gehören die Kreativwirtschaft, die Studierenden, Menschen mit und ohne Migrationshintergrund, Menschen mit höherem und niedrigerem Einkommen – und eben auch Familien. Ein Stadtteil ohne Familien ist ein armer Stadtteil.
Was können wir tun?
Das Quartiermanagement hat eine Bewohnersprechstunde eingerichtet. Donnerstags ab 16 Uhr im Laboratorio17 können sowohl Fragen und Probleme als auch Anregungen und Initiativen rund um das Wohnen und das Wohnumfeld direkt mit dem Quartiermanager angesprochen werden.
Wir wollen die Zusammenarbeit mit dem Mieterverein Mannheim nochmals verstärken, damit alle Mieter sowohl ihre Rechte wahrnehmen können, als auch ihre Pflichten kennen. Uns ist wichtig, dass es zwischen Vermietern und Mietern fair zugeht. Wir setzen uns dafür ein, dass es eine ortsnahe und einfach zugängliche Beratung durch den Mieterverein gibt.
Wir setzen darauf, dass die Stadt Mannheim und die GBG mit ihren Immobilien für ein Gleichgewicht im Jungbusch sorgen. Wir brauchen ein angemessenes Angebot an bezahlbaren Wohnungen bis ca. 7,50 €, das entspricht der Durchschnittsmiete in Mannheim. Es ist wichtig, dass die Hafenstr. 66 und die Beilstraße 19 so schnell es geht bezugsfertig gemacht werden und regen an, dass dort gemischtes Wohnen unter Einbeziehung von Familien beispielhaft praktiziert wird.
Wir brauchen das gemeinsame Gespräch mit allen Beteiligten. Wir suchen deshalb auch den Dialog mit den neuen Eigentümern im Jungbusch, die nunmehr über 20 Häuser im Jungbusch gekauft haben. Wir wollen mit ihnen nach Lösungen suchen, wie der soziale Friede im Stadtteil erhalten bleibt und was sie tun können, um ein Auseinanderdriften im Stadtteil zu vermeiden.
Das gemeinsame Nachdenken mit Politik und Verwaltung über eine sozialverträgliche Entwicklung ist so wichtig, dass wir Vertreter des Gemeinderates und der Verwaltungsspitze zu Gesprächen mit Bewohnern in den Jungbusch einladen werden. Alle Möglichkeiten sind zu prüfen, welchen Einfluss Stadt und Politik nehmen können, um eine durchmischte Bewohnerschaft zu erreichen. Die Bewohnerschaft sucht Antworten auf die Fragen, ob die Stadt ihr Vorkaufsrecht für Häuser im Sanierungsgebiet Jungbusch wahrnehmen und ob eine Erhaltungs- oder Milieusatzung erlassen werden kann.
Für den sozialen Zusammenhalt im „Busch“ ist es gleichermaßen wichtig, Zukunftschancen und Bildung für alle zu ermöglichen. Einen ersten Erfolg gibt es dabei zu vermelden: Das Gemeinschaftszentrum Jungbusch und die Stadt Mannheim werden voraussichtlich noch dieses Jahr das Programm Qualifizierung im Stadtteil / QUIST ausweiten können. Ziel ist es, durch straßenpädagogische, soziale Arbeit Jugendlichen und jungen Erwachsenen Halt und Orientierung zu geben, damit sie nicht in die Kriminalität abrutschen oder eine Drogenkarriere beginnen. Darüber hinaus muss das erfolgreiche Programm „Integration durch Sport und Bildung“ mit dem Sportverein DJK Mannheim-Jungbusch verankert und gestärkt werden, um die entstandenen, wertvollen Orte der Werte- und Demokratiebildung fortführen zu können. Hier drohen Abbrüche, weil Projektgelder ausliefen.
Wenn alle zusammenwirken und das Gespräch suchen, können wir viel erreichen!
Ihr
Michael Scheuermann