Zum Ramadan in die neue Moschee
Gemeinde Milli Görüs schafft sich eigenes Zentrum / Muslime müssen Wandgemälde bezahlen

Von unserem Redaktionsmitglied Anke Philipp

Ein richtiges Zentrum nennen sie ihr Eigen: zwei Häuser mit hohen Wänden, ein kleiner Supermarkt im Erdgeschoss, darüber Büros und Wohnungen, eine Teeküche, ein Sprachraum. Unscheinbar nach außen wirkt der dreistöckige Komplex. Nur die grüne Kuppel lässt erahnen, dass noch mehr dahinter steckt. In der Böckstraße im Jungbusch hat die islamische Gemeinde Milli Görüs ihr Hinterhofdasein beendet und sich ein repräsentatives Zuhause geschaffen.
Nach rund zwei Jahren Bauzeit soll die Moschee zum Ramadan Mitte September fertig sein. „Zumindest haben wir vor, den Fastenmonat dort zu verbringen“, gibt Salih Kilic vom Vorstand auf Anfrage Auskunft. Derzeit ist Kiyas Euliyaoglu dabei, dem Männer-Gebetsraum Farbe zu verleihen. Dafür ist der Türke extra aus Frankreich angereist. Auf die hohe Kunst der Kalligrafie versteht sich schließlich nicht jeder. Die ersten Blumenornamente prangen bereits von der Decke, Koranverse schlängeln sich in dekorativen Schriftzeichen um die Säulen. Erst wenn in drei Wochen alles an Ort und Stelle ist, werden die Teppiche ausgebreitet, die Kronleuchter aufgehängt: „Wir hoffen, dass wir rechtzeitig einziehen können“, sagt Kilic.
Seit 2004 ist die Religionsgemeinschaft daran, den Standort im Jungbusch auszubauen. Sukzessive hat die Gemeinde in den vergangenen Jahren Wohnungen erworben, das Haus in der Jungbuschstraße 20 mit 15 Wohneinheiten aufgekauft. 530 000 Euro hat das gekostet, ein Handel, den die eigene Immobiliengesellschaft, die Europäische Moscheebau- und Unterstützungsorganisation, abgewickelte. Ende 2005 wurde dann der Altbestand abgerissen, mit dem Bau von zwei neuen Gebäuden, einem gläsernen Verbindungsgang und Stellplätzen im Hof begonnen. Zu den Spenden der 450 Mitglieder habe man vieles in Eigenleistung erbracht, so dass lediglich eine Million Euro ins neue Domizil investiert wurde: „Nur so konnten wir uns das leisten“, sagt Kilic. Nach der Moschee mit getrennten Gebetsetagen für Männer und Frauen wird in den nächsten Monaten noch der Glastunnel gebaut. Außerdem müssen die Muslime für die Rekonstruktion des Wandgemäldes am Spielplatz Beil-/Böckstraße aufkommen (8000 Euro). Das Groß-Bild – 1994 als „Vision für den Jungbusch“ von den beiden Künstlerinnen Wanda Stokwisz und Susanna Iris Weber geschaffen – fiel teilweise dem Neubau zum Opfer. Weber setzte danach durch, dass es wieder hergerichtet werden muss. Derzeit ist sie mit ihrem Künstlerkollegen Jörg Fischer vor Ort, um die maritime Landschaft mit Seesternen und Schiffen auf dem Gemäuer zu vervollständigen. Dabei respektiere man das islamische Kulturverständnis, unterstreichen die Künstler.
„Wir sind zufrieden, man erkennt uns an“, kann Kilic eine gewisse Skepsis nicht verbergen. Was er nicht sagt: Um die Gestaltung wurde heftig gerungen, es gab Diskussionen, inwiefern religiöse Symbole ins Werk einfließen sollen. Schließlich ziert das Gemälde die Außenwand der Moschee. „Da darf nichts dem religiösen Empfinden der Gemeinde zuwider laufen“, sagt Kilic. Am Ende fand man einen Kompromiss: „Mit den Kleintierchen können wir leben“, sagt er und hofft, dass die noch freie Fläche über dem Bild dann doch noch ein Koranvers schmückt.

Mannheimer Morgen
27. August 2007

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