Die Mädchen aus dem Jungbusch – Aufstieg durch Bildung
Mit Unterstützung, enormem Fleiß und positiven Leitbildern zum Erfolg: eine Gruppe von Außenseiterinnen und ihre Ankunft mitten in der Gesellschaft

Von unserem Redaktionsmitglied Roger Scholl

Das ist die Geschichte einer Erweckung. Sie schildert den langen Weg aus dem Ghetto bis in die Mitte einer Mehrheitsgesellschaft, sie erzählt von Jahren der Unsicherheit und des Suchens, von all den Brüchen und Verwerfungen und vom allmählichen Ankommen: Es ist die Geschichte der „türkischen Powergirls“. So nannten sich die Mädchen selbst in ihrer „wilden Zeit“, damals, als sie in keiner Welt zu Hause waren, außer in der, die sie sich selbst erschaffen hatten. Als sie gegen alles und jeden rebellierten, als nichts mehr sicher war – am wenigsten sie selbst. Doch diese Geschichte hat ein Happyend, aus den Girls sind erfolgreiche junge Frauen geworden, im Beruf wie im Leben. Sie sind jetzt Arrivierte, klassische Aufsteigerinnen, und – noch viel wichtiger – sie wissen jetzt, wer sie sind, was sie wollen und wo sie hingehören.

Der Jungbusch. Das „Türken-Viertel“, wie sie den Stadtteil nennen. Ihr Umfeld, damals. Wir sitzen in einem Café, ihre richtigen Namen möchten die beiden attraktiven jungen Frauen nicht in der Zeitung lesen, wir sollen sie Sibel und Tuana nennen. Zwei Schwestern, Sibel, ist 28 jetzt, Tuana zwei Jahre jünger. Anfangs fällt es ihnen nicht leicht, über ihre Jahre als „Powergirls“ zu reden. Nazan Kapan, Leiterin des Internationalen Mädchentreffs des Stadtjugendrings, hilft, das Eis zu brechen. „Sie ist so was gewesen wie ein Vorbild, eine türkische Frau, gebildet, erfolgreich.“ Sibel zieht an der Zigarette und gießt Kaffee nach, „und akzeptiert in der Gesellschaft“. So ganz anders als alles, was man kannte.

„Ich war superangepasst“

Wohlgesetzte Worte, Sibel drückt sich sehr gewählt aus, die Virtuosität der Sprache – zu Anfang unseres Gesprächs ein Refugium, gekonnt wechselt sie die Sujets, wenn ihr Themen zu nah kommen. Doch sie will ja erzählen, alles sagen, „weil es wichtig ist für andere, die heute so sind wie wir waren – und für die, die uns nicht verstehen“. Erzählen von der Grundschule, „kein einziges deutsches Kind in der Klasse, alles ist mir zugeflogen, tolle Noten, einfach so“. Der Vater, Arbeiter, streng, ein gläubiger Moslem, er war stolz auf seine Älteste, „kein Wunder, ich war superangepasst“. Und er ermutigt sie, „Bildung sei das Wichtigste, hat er gesagt“. Damals glaubt er noch, dass man irgendwann zurückkehrt in die alte Heimat, will, dass seine Kinder einen Beruf lernen, in dem sie auch in der Türkei eine Stelle finden. „Aber wir haben immer gewusst, dass das etwas Irreales ist, dass das nie passiert, auch wenn er ständig Angst hatte und prophezeite, dass die Deutschen uns irgendwann rausschmeißen und wir zurück müssen.“ Sibel lacht, ein bitteres Lachen, „er hat schlechte Erfahrungen gemacht und sie auf alle übertragen. Er wusste es nicht anders“.

Die guten Noten und die Ambitionen der Familie bringen sie aufs Gymnasium. „Das war der Schock meines Lebens. Vom Ghetto direkt zu den Kindern der Bildungsbürger.“ Das intelligente Mädchen wird rasch zur Außenseiterin, „ich hab

Share

Kommentare sind geschlossen.