+ + + Die Welt im Busch + + +

Straßengespräch

In der Rubrik „Die Welt im Busch“ stellt die Buschtrommel Menschen vor, die im Jungbusch leben und/oder arbeiten, ursprünglich aber aus Ländern kommen, in denen Krieg und Terror herrschen. Wie gehen diese Menschen mit ihren täglichen Ängsten um die Familie und Freunde um? Wie sehen sie die politische Situation in ihren Ländern? Wie gehen sie mit dem Verlust ihrer Heimat um?

Der mühsame Weg in eine bessere Zukunft

Drei Bulgarinnen berichten, warum sie gekommen sind und wie sie im Jungbusch leben

Boryana, Antonia und Aneliya stammen aus Nordbulgarien, verließen ihre Heimat wegen der desolaten wirtschaftlichen Lage und hoffen in Deutschland auf Arbeit und eine bessere Zukunft für sich und ihre Kinder. Der Weg dahin ist beschwerlicher, als sie es sich vorgestellt haben; ihre traurigen, müden Augen sprechen Bände.

Ohne Chancen auf dem heimischen Arbeitsmarkt

Boryana ist 44 Jahre alt, eine ruhige, schüchtern wirkende Frau, die ihre 14-jährige Tochter Elmira zum Gespräch mitgebracht hat. Mit leiser Stimme erzählt sie ihre Geschichte. Sie kommt aus einem Dorf in Nordbulgarien, wo sie in einer Papierfabrik arbeitete, bis diese geschlossen wurde. Sie suchte nach einer neuen Anstellung, jedoch vergeblich. Als Angehörige der türkischen Minderheit in Bulgarien hatte sie noch weniger Chancen als andere auf dem angespannten Arbeitsmarkt. Nach zwei, drei Jahren Arbeitslosigkeit ging es nicht mehr, sagt sie. Sie und ihr Mann, der nur sporadisch Jobs in größeren Städten fand, beschlossen mit den beiden Töchtern nach Deutschland auszuwandern. Freunde hatten ihnen gesagt, dass man dort gut verdienen könne. Sie zogen nach Mannheim, weil sie hier Verwandte haben. Seit drei Jahren leben sie im Jungbusch, zu viert in einer 2-Zimmer-Wohnung und wollen nicht darüber klagen. Seit einigen Monaten arbeitet Boryana für eine Zeitarbeitsfirma, ihr Mann hat keine Beschäftigung. Auf die Frage hin, wo sie sich in fünf Jahren sehe, schüttelt sie müde den Kopf und sagt, so weit könne sie nicht denken. Tochter Elmira hingegen – sie geht auf die Johannes-Keppler-Schule – sieht sich ganz klar in Deutschland, und zwar als Kosmetikerin, Krankenschwester oder Bankkauffrau.

Unzumutbare Wohnverhältnisse im Jungbusch

Die 26-jährige Antonia erzählt ihr Leben im Staccato: Mit 15 heiratete sie, mit 16 wurde sie das erste Mal Mutter. Als ihr Mann seine Stelle verlor und keine neue fand, lebten sie von den Schwiegereltern, bis die Fabrik schloss, in der diese gearbeitet hatten und nun ebenfalls arbeitslos waren. Sie und ihr Mann verließen das Dorf, gingen nach Sofia, arbeiteten in der Gastronomie und schickten das Geld nach Hause. Als sie nach drei Jahren wieder arbeitslos wurden, packten sie ihre Koffer, ihre mittlerweile drei Kinder und machten sich auf den Weg nach Mannheim, wo Antonias Eltern leben. Sie teilen sich nunmehr zu siebt eine 2-Zimmer-Wohnung in der Böckstraße 15, für die sie stolze 700 Euro Miete zahlen. Die Gasheizung funktioniert nicht, es gibt kein Licht im Treppenhaus, es wimmelt von Ratten. Antonia kocht vor Wut. Hinzu kommen Geldsorgen, denn zurzeit verdienen nur ihr Mann und ihre Mutter, ihr Vater ist herzkrank. Das größte Problem sei allerdings, dass sie die Wohnung im Dezember räumen müssen und nicht wissen, wohin. Antonias älteste Tochter geht auf die Montessori Schule, die beiden jüngeren Töchter haben ab April einen Kindergartenplatz – dann will Antonia einen Deutschkurs an der Montessori-Schule belegen.

Die Tochter soll es besser haben

Die 38-jährige Aneliya und ihre elfjährige Tochter Rositsa sind Roma und leben seit drei Jahren in Mannheim. Rositsa besucht die Johannes-Keppler-Schule und spricht ebenso wie Elmira fließend Deutsch. Sie verfolgt aufmerksam das Gespräch. Ihre Mutter ist eine selbstbewusste Frau, knapp fasst sie ihr Leben zusammen: Sie hat keinen Schulabschluss, da sie sich als Älteste um ihre jüngeren Geschwister kümmern musste. 15 Jahre lang hat sie mit ihrem Mann in Fabriken gearbeitet. Als nichts mehr ging, haben sie zwei Jahre auf Zypern gearbeitet – er in der Baubranche, sie in einem Restaurant. Ihre beiden Kinder waren in Bulgarien geblieben. Aneliyas Schwester holte sie schließlich nebst Mann und Tochter nach Mannheim, der Sohn macht den Schulabschluss in Bulgarien und wird dann nachkommen, so der Plan.

Auch Aneliya und ihre Familie leben zu siebt in einer 2-Zimmer-Wohnung in der Böckstraße. Das allein ist schon schwer. Noch schwerer gestaltet sich jedoch die Suche nach einer neuen, bezahlbaren Wohnung, denn in drei Monaten sollen sie aus ihrer derzeitigen Wohnung raus. Ihr Mann arbeitet auf dem Bau. Sie hat zwar eine Arbeitsgenehmigung und will unbedingt arbeiten, findet aber nichts, weil sie kein Deutsch spricht. Sie habe sich das alles einfacher vorgestellt – so wie auf Zypern, wo man auf die Straße geht und sich Arbeit sucht. Trotzdem, sagt sie, sei das Leben in Deutschland besser als daheim. Boryana und Antonia nicken bestätigend. Sie möchte vor allem für ihre Tochter bleiben, weil Frauen und Kinder in Deutschland gut behandelt werden. Und mit einer guten Schulbildung, so hofft sie, werde ihre Tochter mehr Chancen und eine bessere Zukunft als sie haben.

Nadja Encke

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