Kreativität als Waffe im Umgang mit dem Fremden
JUNGBUSCH: Sidewalk-Theater macht Gegenwartsproblematik der Migration erlebbar

Von unserem Mitarbeiter Felix Kretz

Zwischen zwei Szenen geht ein Raunen durch die Menge: „Wie eine kleine Stadtführung ist das hier, das gemischte Publikum macht mit am meisten Freude.“ Tatsächlich haben sich nicht nur zahlreiche Bewohner des Jungbuschs eingefunden, um der Aufführung des Sidewalk-Theaters „SchwererPanzerFlügelKleid“ beizuwohnen. Vielmehr sind es auch Studenten und Kunstinteressierte, die die Produktion vom Gemeinschaftszentrum Jungbusch/Creative Factory in Kooperation mit dem Jungen Nationaltheater Mannheim und KulturContainerStadt CONTENT.17 sichtlich gespannt verfolgen. Die Theaterpädagogin und Regisseurin Lisa Massetti und der Schauspieler Alex Miller präsentierten ein Projekt, in dem sich Motive von Schillers „Die Jungfrau von Orleans“ mit aktuellen Problemen junger Migranten, wie sie mittlerweile überall in Deutschland zu finden sein dürften, verbinden.

Vom Saal des Gemeinschaftszentrums Jungbusch über die Promenade am Verbindungskanal, durch die Jungbusch-Arena und Hinterhöfe der Werftstraße bis hin zu einem furiosen Finale auf der „Kanalbühne“ führen die jungen Darsteller, allen voran Funda Atcilar als tragische Hauptfigur Meriam, ihre Zuschauer. Dabei untermalt die Industrieromantik im und um den Jungbusch die bedrückende Atmosphäre, die dem Stück innewohnt. Meriam, die ihre anatolische Heimat in Richtung Jungbusch verlässt, trifft hier auf zwei bis aufs Messer verfeindete Jugendbanden, die darum ringen, wer in den Straßen das Sagen hat. Schnell zeigt sich allerdings, dass die „Roten“ und die „Schwarzen“ einander gar nicht so unähnlich sind, geht es doch auf beiden Seiten um Ehre, Respekt und Gruppenzusammenhalt.

Auch die existentielle Suche der Protagonistin nach ihren Aufgaben und ihrem Platz im Leben ist ein Thema, das in der Auseinandersetzung zwischen den beiden Banden eine tragende Rolle spielt. Meriam findet aufgrund ihres Mutes und ihrer starken Persönlichkeit schnell Anschluss bei den „Roten“ und avanciert sogar zu deren Anführerin. Als sie sich jedoch in den Anführer der gegnerischen Gruppe verliebt, zeigt sich, dass „hinter dem schweren Panzer ein Flügelkleid“ zum Vorschein kommt. So sieht sie die Zeit gekommen „mit anderen Waffen zu kämpfen“ und „neue Herausforderungen“ anzunehmen.

Auf Meriams Initiative hin verständigen sich „Rot“ und „Schwarz“ auf den Kompromiss, ihr kreatives Potential zur Waffe zu machen und bei einem Talentwettbewerb den Sieger des Konflikts zu ermitteln, zweifellos ein Höhepunkt des Stücks. Während „Schwarz“ die Anwesenden mit einer Hip- Hop-Performance überzeugt, setzt „Rot“ auf traditionelle Musik und Tanz. Schließlich wird der Zuschauer aber auch in die Pflicht genommen. Das Stück endet mit Meriams Tod und so stellt sich die Frage, ob der Konflikt nun gelöst und wie das Opfer der Hauptfigur zu bewerten ist.

So gesehen wirkt das Konzept Lisa Massettis und Alex Millers durchaus schwer verdaulich. Bei aller Schwere ist es allerdings eine große Leistung, dass der Humor nicht außen vor gelassen wird, wie sich an den Reaktionen des Publikums feststellen lässt. Ein um das andere Mal sorgen die im Straßenslang gehaltenen Dialoge zwischen den Charakteren für Erheiterung.

Share

Kommentare sind geschlossen.