Hin und weg
Wohnqualität als Motiv, in den Jungbusch zu kommen oder wegzuziehen

Wohnen im Jungbusch

Bewegung im Busch: Neue Bewohner kommen, andere ziehen weg. Wer eine Eigentumswohnung kauft, um selbst darin zu wohnen, hat seine Entscheidung gut überlegt und plant einen längeren Aufenthalt im Stadtteil. Die Buschtrommel hat drei Personen befragt: Zwei haben gerade ihre Eigentumswohnung im Jungbusch bezogen, ein anderer hat zusammen mit seiner Familie 2014 die von ihnen bewohnte Eigentumswohnung verkauft und ist aus dem Jungbusch weggezogen. Das Motiv, in den Jungbusch zu kommen oder eben wegzuziehen, liegt primär in der Wohnqualität eines bestimmten Hauses, welche die Bewohner entweder schätzen oder sie verschreckt.

Jürgen Munz und Mario Mück haben eine Loftwohnung in der Hafenstraße 31 erworben.

Das Dock 31

Sie wohnen in dem frisch sanierten Getreidespeicher oder „Dock 31“: Am Hauseingang steht man vor rund 40 Klingeln. Um zu Munz und Mück zu kommen, muss man eine Klingel mit einer Nummer drücken – das erinnert an Gepflogenheiten in Polen und Russland, wo die Menschen keine Namensschilder, sondern ihre Wohnungsnummern auf den Klingeln stehen haben. Durch die Tür gelangt man in einen gro- ßen Hauseingang. Dann rechts abbiegen und einen Wow-Effekt genießen: Man landet in einem wunderschönen, von oben mit Licht durchleuchteten Atrium. Vom Innenhof geht die Tür zu einer ruhig anmutenden Loftwohnung ab, die zur Promenade ausgerichtet ist.

Vor dem Umzug in das Loft suchten die beiden berufstätigen Männer eine neue Wohnung, welche die Kriterien erfüllte: Stellplatz fürs Auto, freie Sicht aus dem Fenster, nach Möglichkeit Blick aufs Wasser. Genau das bot der ehemalige Getreidespeicher. Im November 2014 sind die beiden Männer ins Dock 31 gezogen.

Beide stellen heraus, dass sie der Jungbusch bereits fasziniert habe, bevor sie hierher gezogen seien. Der Jungbusch habe einen eigenen Charme und habe eine eigene Atmosphäre. Mück mag insbesondere die Ecke Böck-Beilstraße.

Der Jungbusch sei ihrer Meinung nach inzwischen weniger kriminell, sondern eher laut und eine Partymeile. Dort, wo sie wohnen, seien sie aber weg vom eigentlichen Stadtteil, der in der Jungbuschstraße sein Zentrum habe.

Ein kritisches Gebiet?

Munz bezeichnet den Jungbusch jedoch auch als „ein bisschen kritisches Gebiet“. Mück sieht, dass sich der Stadtteil verändert. Er würde es bedauern, wenn er sich zu sehr verändert. Er freut sich auf die neuen Cafés an der Promenade und hofft, dass der „Shabby Schick“ dadurch nicht verloren geht. Zur Einstimmung auf den Jungbusch hat Mück begonnen, Türkisch zu lernen. Am Wochenende genießt er es, mit seinem Fahrrad durch den Hafen zu fahren und sich die Industriegebäude anzuschauen. Die Neckarspitze sei einer seiner Lieblingsorte, „ruhig und idyllisch“.

Im Haus wohnen überwiegend Paare und Singles unterschiedlichen Alters ohne Kinder. Von Munz und Mück abgesehen, sind die anderen zumeist nach Mannheim neu zugezogen. Viele wohnten zuvor in oder in der Nähe von Heidelberg. Da fragen sich Munz und Mück, ob die vorher wussten, wo sie hinziehen.

Premiumwohnen im Getreidespeicher?

Wenn die beiden im Bekanntenkreis oder geschäftlich berichten, dass sie im Jungbusch wohnen, komme häufig die Reaktion: „Und habt Ihr Euch das wirklich gut überlegt?“ Und wenn sie dann sagen, dass sie neben der Kaufmannsmühle wohnen, dann sei die Reaktion: „Ja, toll!“ Passanten auf der Promenade würden mitunter an die Fenster klopfen und fragen, wie es sich denn im Loft so wohnt. Viele zeigen Interesse am „Premiumwohnen im Getreidespeicher“, der nebenan gerade hergerichtet wird. Und die Vorteile liegen auf der Hand: Nur eine viertel Stunde Fußweg bis zum Marktplatz. Und es wurde und wird energie- und altersgerecht gebaut.

Bereit, sich zu engagieren

Bemerkenswert finden die beiden neuen Bewohner, dass der Jungbusch in Mannheim das Viertel mit dem meisten Leben und Engagement sei. Sie sind bereit, sich zu engagieren. So hat Munz Interesse angemeldet, zusammen mit Gastronomen in der Kampagne für mehr „Respektvolleres Miteinander“ im Jungbusch mitzuarbeiten.

Weg vom Busch

Doch es ziehen nicht nur engagierte Menschen in den Jungbusch, sondern engagierte Menschen ziehen auch weg. So Frank Maaß, der zwischen 2008 und 2014 in der Mannheimer Hafenstraße wohnte. Er war Haupttreiber bei der Aktion „Rettet die Teufelsbrücke“. Heute wohnt er auf der Parkinsel in Ludwigshafen, wo er zufälligerweise wieder in der Hafenstraße ein Haus gekauft hat.

2008 hatte er sich bewusst nach einer Wohnung im Jungbusch oder Umgebung umgeschaut, denn dort fotografierte er gerne. Überzeugend für die Immobilie in der Mannheimer Hafenstraße war letztlich der Kaufpreis und – wie er damals fand –dass es „eine interessante Ecke“ ist.

Kakerlaken im Haus und Ratten im Hof

Es gibt zwei Gründe, weshalb er mit seiner Familie aus dem Jungbusch wieder wegzog: Zum einen brauchte Maaß Wohnraum für eine Familie mit zwei Kindern. Zum anderen war die Wohnsituation in der Mannheimer Hafenstraße nicht mehr akzeptabel. Maaß betont: „Ich hatte keine Lust, weder auf die Kakerlaken im Haus noch auf die Ratten im Hof.“ Das Gebäude nebenan sei verdreckt gewesen, Müll sei durch die Fenster entsorgt worden, sodass auch der MiniGarten keine wirklich hohe Aufenthaltsqualität gehabt habe.

Seine heutige Beziehung zum Jungbusch ist eher locker. Maaß spielt beim Nachtwandel in einer Band mit und findet das Kreativpotenzial spannend. Er sagt: „Ich beobachte es“. Seine heutige Situation beschreibt Maaß als „bürgerlich“ und „spießig“. Für politisches Engagement wie damals hätte er heute „keine Luft“.

Wohnqualität als Motiv zu kommen oder wegzuziehen

Als Fazit ist festzuhalten: Bei der Frage, ob eine Wohnung im Jungbusch gekauft oder verkauft wird, sind zunächst einmal die Wohnqualität und persönliche Lebenssituation ausschlaggebend. Erstklassige Wohnungen und Häuser mit Ungeziefer liegen dabei im Jungbusch nahe beieinander. Der Jungbusch überzeugt Kaufinteressierte durch seine zentrale Lage und Nähe zum Wasser, die besondere Atmosphäre und die sanierten Industriegebäude. Doch die ebenfalls sichtbaren Probleme können auch verschrecken und dauerhaft für Unzufriedenheit sorgen.

BF

„Dock 31“ – Neue Jungbuschbewohner stellen sich vor

In der Kauffmannmühle an der Hafenstraße sind Eigentumswohnungen neu entstanden. Inzwischen sind dort fast alle Bewohner eingezogen. Das machte uns neugierig zu erfahren, wer die neuen Jungbuschbewohner sind und welche Eindrücke sie bisher vom Stadtteil gewonnen haben.

Als erstes besuche ich eine ältere Dame, die schon lange in Mannheim lebt und den Wunsch hatte, sich noch einmal wohnlich zu verändern. Sie kennt den Jungbusch gut, nicht zuletzt auch durch ihre Arbeit im Interkulturellen Zentrum.

Was hat Sie dazu bewogen, sich eine Eigentumswohnung im Jungbusch zu kaufen?

„Da gab es mehrere Dinge. Als erstes hat mich das Bauprojekt angesprochen: Kein nullachtfünfzehn Haus, sondern ein Haus mit Geschichte. Ich liebe auch den urbanen Stadtcharakter vom Jungbusch. Besonders den Hafen, das erinnert mich an meine Kindheit. Und dann mag ich auch die interkulturelle Vielfalt. Das fand ich am Jungbusch schon immer sehr interessant.“

Was gefällt Ihnen am besten an Ihrem neuen Zuhause?

„Der Ausblick aus meinem Fenster.“ Dort sitzt sie am liebsten, um die Vögel zu beobachten sowie das Treiben unten im Hafen. „Wussten Sie eigentlich, dass das Ufer hier zum ältesten Anglerverein Mannheims gehört?“

Es ist faszinierend, wie viel Neues ich über den Hafen erfahre, während ich den Erzählungen meiner Interviewpartnerin zuhöre.

Es gibt auch ein paar Dinge, die sie stören am Jungbusch, z.B. das Problem mit der Müllentsorgung. Sie kann nicht verstehen, dass Leute ihren Müll einfach liegen lassen nachdem sie am Kanal gesessen haben.

Abschließend frage ich sie, was sie gerne im Stadtteil verändern würde. „Die Infrastruktur könnte verbessert werden. Es gibt kaum Einkaufsmöglichkeiten und das finde ich schade.“

In einem zweiten Interview lerne ich ein Ehepaar kennen: Sie kommen aus Heidelberg, haben dort über 10 Jahre gewohnt und wollten sich ebenfalls räumlich verändern. Die Initialzündung war dann der Umbau der denkmalgeschützten Kauffmannmühle.

„Wir waren sofort begeistert. Die Kauffmannmühle hat schon vor Jahren eine große Anziehungskraft auf uns ausgeübt. In der Vergangenheit bin ich regelmäßig mit dem Zug daran vorbei gefahren und habe davon geträumt, dort einmal zu wohnen.“ Das es tatsächlich so gekommen ist, klingt nach einem echten Glücksfall.

Wie wirkt der Stadtteil auf Sie?

„Der Jungbusch hat eine aktive Stadtteilkultur, d.h. es gibt viel Leben auf der Straße. Wir haben uns bewusst für das bodenständige und urbane Leben hier entschieden. Wenn wir anderen davon erzählen, bekommen wir oft die Rückmeldung, was für ein hipper Stadtteil der Jungbusch ist, aber das sehen wir auch kritisch.“

Wir unterhalten uns eine Weile über die Entwicklung des Stadtteils in den letzten Jahren und welche Auswirkungen dies auf die Bewohnerschaft haben könnte. Es fallen Stichwörter wie „Gentrifizierung“ (Vertreibung) und „Segregation“ (Ausgrenzung). Meine Interviewpartner sind sich bewusst, dass sie in einem „Brennpunkt“ wohnen und sich ihr Zuhause zum Groß- teil von dem anderer Bewohner unterscheidet. Das macht sie nachdenklich, gleichzeitig merkt man auch, wie sehr sie den Stadtteil mögen und bereit sind, sich für andere einzusetzen. „Wir haben großes Interesse daran, mehr über den Stadtteil und seine Bewohner zu erfahren. Der Jungbusch macht Lust auf mehr.“

Nadja Scheuermann

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