Von Gentrifizierung, Aufwertung und Verdrängung
Der Jungbusch im Wandel

Gentrifizierung

Seit einiger Zeit beschäftigen sich Stadtteilakteure mit der sich ändernden Wohnsituation im Stadtteil, der Wahrnehmung des Jungbuschs sowohl von außen als auch durch seine Bewohner selbst. Themen sind externe Berichterstattung, die Wohnqualität und Einwohnerstruktur sowie die neuen Eigentumswohnungen des „Dock 31“. Schlagwörter, die dabei stetig fielen waren Verdrängung, Segregation und Gentrifzierung. Besonders das Phänomen „Gentrifizierung“ ist zurzeit in aller Munde – doch was hat es mit diesem seltsamen Wort mit „G“ überhaupt auf sich? Was bedeutet es? Und warum ist es so wichtig, darüber Bescheid zu wissen?

Es ist völlig normal, dass sich Stadtteile verändern – das ist zumeist auch gut so, denn nicht jede Veränderung ist per se schlecht. So ist beispielsweise auch die Einrichtung eines Quartiermanagements ein Instrument für die Gestaltung des Stadtteillebens im Strukturwandel. Der Begriff „Gentrifizierung“ ist jedoch negativ besetzt: Werden Viertel „gentrifiziert“, treffen verschiedenste Interessen aufeinander, Konflikte sind vorprogrammiert, Ängste entstehen. Das´wohl bekannteste Beispiel für einen gentrifizierten Stadtteil ist Berlin-Kreuzberg, das aktuellste Berlin-Neukölln oder das Hamburger Schanzenviertel, das räumlich nächste die Heidelberger Weststadt.

Was hat Kreuzberg mit dem Jungbusch zu tun?

Von den Medien wird der Jungbusch oft „Klein-Kreuzberg“ genannt. Der Bezirk Kreuzberg selbst ist in Berlin als „Klein-Istanbul“ bekannt. Nicht nur wegen der vielen türkischen Familien, die hier leben. Vor allem wegen der türkischen Infrastruktur und Lebensart, die Kreuzberg weit über seine Grenzen hinaus berühmt gemacht hat. Früher gehörte Kreuzberg zu den Bezirken mit einem schlechten Ruf. Dort wohnte nur, wer sich ein Leben in Friedrichshain oder Mitte nicht leisten konnte. Heute findet man dort nur schwer eine Wohnung. Die Gegend ist begehrt, die Mieten steigen seit Jahren. Man ist sich einig: Kreuzberg ist gentrifiziert!

Man kann nun viele persönliche Schicksale von Künstlern erzählen, die ihr Atelier in einem Kreuzberger Hinterhof aufgeben mussten. Und von Start-Ups, die in eben diesen Ateliers ihre Büros einrichteten. Was die Geschichten verbindet, sind die Erfahrungen: Wenn ein Viertel jahrzehntelang unter einem negativen Ruf leidet und plötzlich an Attraktivität gewinnt, dann verändert es sich unaufhaltsam. Mit jedem neuen Geschäft und jedem neuen Bewohner ändert sich die ökonomische und soziale Zusammensetzung des Viertels. Ob dies gut ist und der Situation der Betroffenen.

Was bedeutet das für uns?

Beispiele wie Kreuzberg oder das Hamburger Schanzenviertel zeigen: Man kann eintretende Gentrifizierungsprozesse nicht grundsätzlich stoppen, aber man kann sie beeinflussen und lenken. So haben Städte z.B. die Möglichkeit, städtebauliche Sondersatzungen im Mietrecht festzusetzen oder aber Mietpreisbindungen vertraglich abzusichern. Die Bewohner selbst müssen die Politik auffordern, geeignete Schutzinstrumente zu finden, um eine sozial verträgliche Entwicklung ihres Viertels zu erreichen. Es ist also wichtig, die Anzeichen früh zu erkennen, um diese Entwicklung mitbestimmen zu können.

Was sind die Merkmale der Gentrifizierung?

Gentrifizierung beschreibt einen Prozess, bei dem innenstadtnahe Wohngebiete (baulich), aufgewertet werden. Zumeist verläuft er nach einem typischen Muster: Vergleichsweise niedrige Mietpreise ziehen Studierende, Künstler u.a. an, wodurch der Stadtteil langsam verändert wird. Manche Künstler beginnen sich zu etablieren, was zur Folge hat, dass Kapital in das Viertel fließt. Auf die Ateliers der Künstler folgen Cafés, Szene-Kneipen und -Clubs. Der Ruf des Stadtteils beginnt sich zu wandeln, er wird „hip“ und auch für die nicht-ansässige Bevölkerung interessant. Das wiederum ruft Investoren auf den Plan, die im Viertel ihre Chance auf Wertsteigerung wittern. Nach und nach werden Häuser und Wohnungen saniert, wodurch die Mieten zu steigen beginnen. Nach einiger Zeit werden aus den Studierenden Berufseinsteiger, die schnell mehr Geld verdienen als einige ihrer Nachbarn; sie können mit den steigenden Mieten Schritt halten. Alteingesessene Bewohner, Einwanderer, Studierende und Künstler dagegen, können sich diese nicht mehr leisten und müssen in andere Stadtteile ziehen. Statt ihrer siedelt sich nun eine wohlhabende Bewohnerschaft an, Immobilienunternehmen entdecken ihr Interesse und Luxussanierungen folgen. Lebensstandard und ursprünglicher Charakter des Viertels wandeln sich.

Was uns unweigerlich zu der Frage führt: Welche dieser Anzeichen sind im Jungbusch bereits erkennbar? Lesen Sie dazu eine Einschätzung des Quartiermanagements Jungbusch (Artikel: „Die Stärken einsetzen“).

LK und GT

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